KLEIST.DER ZERBROCHNE.KRUG.

Etwas zerreibt Sie, Kleist, über das Sie nicht Herr sind.

                                            Christa Wolf, Kein Ort. Nirgends

Wenn das durch einen Fall zerbrochene Gefäß, das irdene, weiter zerrieben wird, wird es (wieder) zu Staub. - Kleist dreht auf der dramatischen Töpferscheibe eine urkomische, eine uralte Geschichte über den Schwellfuß Mensch. Eine sehr irdische zudem. Mehrere Schichten hat die Geschichte, das tönerne Geschichte:

Adam: Eins ist der Herr. Zwei das finstre Chaos. Drei ist die Welt.

                                    Heinrich von Kleist, Der zerbrochne Krug

1. Einheit. Verlust.

„Deutschland“ liegt in Scherben. In die deutsche Kleinstaaterei wächst Kleist hinein, reibt sich auf an deren preußischen Auswüchsen. Das Zersplittert-Sein, Isis und Osiris in sich selbst, mit einem Rucksack voll Scherben ständig reisend, das waren Kennzeichen von Kleist. Die Scherben sind das Ergebnis des Falls aus der Einheit auf den harten Boden der Dualität. Die „erzeugt“ Sehnsucht nach der unmöglichen Rückkehr.

Die Welt ist, was der Fall ist.

                        Ludwig Wittgenstein, Tractactus logico-philosophicus

2. Erkenntnis.Lust.

Kant hat er gekannt, gefressen wie Adam im KRUG den Limburger. Die Folge: Kant-Krise. Der Fall. Welcher grammatikalische Fall? Der Casus „Mensch“ oder der Abfall vom Paradies oder der physische Sturz? Kleist war „Kantianer“ und Anti-Napolianer, unpreußischer Preuße.

Alles Krug und Trug.                                   Redensartiger Versuch

3. Lust.Spiel.

Ein Spiel war es, aus dem der KRUG erwachsen ist, ein Wettbewerb. Unter Freunden war Kleist, der Einsame. So sprachlustig war er selten. Der Kleist. Die Sehnsucht, - wie Ödipus - wissen zu wollen, trieb Kleist ins Wasser, ins weibliche Wasser. Die zentralen Figuren Kleists sind Frauen. Scham-Scherben liegen am Grund des Wannsees. Der Krugeingang ist nicht nur mythische Vagina, sondern Spiel mit der Lust.

Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.           Echte Redensart

4. Verlustig.Gegangen…

Das griechische Scherbengericht war Ritual, dessen wir verlustig gegangen sind, um uns in die Demokratie einzuschreiben, die wir nicht erkennen. Auf Scherben war das Urteil geschrieben, die in Ton eingeschriebene Gerichtsbarkeit. Wie gerecht ist das Gericht? Wie Adam am Ende des KRUGs in eine namenlose moderne Weite stolpert, so schießt sich der androgyne Kleist patriarchial im matriarchialen Element eine Kugel in den Kopf.

Diese von einer Frau und einem Mann gespielte Inszenierung akzentuiert gerade den mythisch-biblischen Fall aus der Einheit in die Dualität. 
Mit Kleist können wir uns krachend erheitern und lachend scheitern. Eine quasi-aristotelische Anarchtharsis.

Es spielen: Rouven Honnef und Petra Ehrenberg

Regie: Thorsten Kreilos

Ausstattung: Marcus Stiefel-Dürr